In wenigen Tagen wird die Zusammensetzung der Volksversammlung bekannt, der unteren Kammer des ägyptischen Parlaments . Oder – um es direkt auszusprechen: dann wird sich herausstellen, ob die Muslimbrüder die absolute Mehrheit und die Islamisten alle zusammen über zwei Drittel der Sitze bekommen werden (womit sie Gesetze blockieren könnten).
Die erste Runde der dritten und letzten Phase der Parlamentswahlen hat gestern begonnen und endet am Mittwoch. Danach stehen die endgültigen Ergebnisse der Verhältniswahl fest (über die zwei Drittel der Sitze vergeben werden). Im zweiten Wahlgang in einer Woche werden dann nur noch eine Hand voll Sitze an Direktkandidaten vergeben.
Für die Muslimbrüder ist also die Stunde der Wahrheit gekommen. Die Bruderschaft wurde vor vierundachtzig Jahren von Hassan el-Banna gegründet, dem Vater des politischen Islams. Heute scheint sich ihre Philosophie der „reifen Frucht, die eines Tages vom Baum fallen wird“ zu bewahrheiten. Nach den ersten beiden Wahlphasen bekam die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit (PLJ), die die Bruderschaft vor den Wahlen gegründet hat, gemäß der Hochrechnung der Verhältniswahl 51% der Sitze. Ein Schritt noch, und die Muslimbrüder werden ihre Gesetze diktieren und bestimmen können, mit wem sie regieren möchten – falls der Oberste Rat der Streitkräfte ihnen diesen Spaß lässt. Der Chef des Militärrates, Feldmarschall Tantawi, hat am vergangenen Wochenende wieder bestätigt, dass er die Macht nach Beendigung der Präsidentschaftswahlen am 30. Juni an die zivile Regierung übergeben wird.
Die große Frage ist, wie stark die Salafisten sein werden, die nach den ersten zwei Wahlphasen hinter den Muslimbrüdern an zweiter Stelle standen. Welche Rolle diese Fundamentalisten in der Kommission spielen, die die neue Verfassung schreiben wird, und ob sie in der zukünftigen Regierungskoalition vertreten sind. Denn dann würden sie die Gesellschaft und die Zukunft Ägyptens stark beeinflussen – sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht.
Bild : Flickr/CC BY-NC-SA 2.0/ Mosa’ab Elshamy
Wahlen in Ägypten – Verfolgen Sie unser Blogger-Duo Tangi Salaün und Ahmed El Lozy
Tangi Salaün, 39 alt und in der Bretagne geboren, ist Journalist. Er wohnt seit 15 Jahren in Kairo und berichtet für Le Figaro, L’Express und RTL, aber auch für Le Temps (Genève) und Le Soir (Bruxelles). Er ist ebenfalls Co-Autor von zwei Büchern, L’Egypte de Tahrir (Le Seuil, Mai 2011) mit der Journalistin Claude Guibal, und Egypte, les débuts de la liberté (Michel Lafon, Oktober 2011) mit der ägyptischen Bloggerin Shahinaz Abdel Salam.